Baltischer Befreiungskampf

Die Singende Revolution nach Ländern

„Singende Revolution“ bezeichnet allgemein Ereignisse zwischen 1987 und 1991, die schließlich zur Unabhängigkeit der drei baltischen Länder Estland, Litauen und Lettland führte. Geprägt wurde der Begriff von dem estnischen Aktivisten und Künstler Heinz Valk nach den spontanen nächtlichen Liederkonzerten im  Juni 1988 in Tallin. Hunderttausende Sänger aus dem ganzen Land nahmen teil .

Estland

Seid der Sowjetisierung des Baltikums in Folge des Hitler-Stalin-Paktes und des Ergebnisses des Zweiten Weltkriegs versuchten die Balten und insbesondere die Esten ihren Widerstand dagegen zu artikulieren und die Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit zu fordern. Nach der Verabschiedung der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 intensivierten sich die Aktivitäten dafür.

Am 23 August schickten 45 Estnische, Litauische und Lettische Intellektuelle den “Baltischen Appell” als Offener Brief an den Generalsekretär der UNO sowie an die Regierungen der Sowjetunion, der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik sowie an die Unterzeichner der Atlantik Charta. Der  Appell wurde veröffentlicht aus Anlass des 40. Jahrestages der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes.  Es wurde gefordert, den bis dahin in der Sowjetunion wie den baltischen unveröffentlichten Vertrag sowie die angehängten Geheimprotoklle zu veröffentlichen, ihn von Anfang an für null und nichtig zu erklären sowie die Unabhängigkeit der baltischen Staaten von der Sowjetunion wieder herzustellen. Der Appell wurde zur Grundlage eines beschlusses des Europaparlaments am 13.1.1983, in dem die Forderung formell unterstützt wurden.

Am 28. Oktober1980 folgte der Brief von 40 estnischen Intellektuellen, in dem sie forderten den Erhalt der estnischen Sprache verteidigen angesichts der intensierten Russifizierung Estlands durch die Ansiedlung von immer mehr nur russischsprachigen Arbeitern in Estland. Außerdem protestierten sie gegen die brutale Unterdrückung von Protesten Jugendlicher durch die Regierung, nachdem diese ein öffentliches Konzert einer Rockband verboten hatten.

Erneut wurde aus Anlass des Jahrestages des Hitler-Stalin-Paktes am 23.8.1987 demonstriert Im sogenannten Hirvepark-Treffen nahmen bis zu 5.000 Menschen teil. Es war die erste organisierte öffentliche Demonstration gegen die Estnische Kommunistische Partei. Viele größere und kleinere Proteste und Demonstrationen sollten über die Jahre folgen.

Der endgültige Auslöser dessen, was als „Singende Revolution” in die baltischen Geschichtsbücher eingehen sollte, und schließlich mit dem Ende der kommunistischen Regierung zur Unabhängigkeit führte, war der sogenannte Phosphorit-Krieg. Im August 1987 war bekannt geworden, dass im Norden Estland riesige Phosphorite-Tagebauminen eröffnet werden sollte. In Folge dessen wäre es zu gewaltigen Umweltzerstörungen gekommen. Die Kampagne hatte zwei Themen: die gewaltige Umweltzerstörung sowie die Angst um die estnische kulturelle und nationale Identität. Denn die Minen hätten zu einem breiten Zustrom nur russisch sprechender Menschen geführt, die die Balance in der demografischen Zusammensetzung der Landesbevölkerung weiter gefährdet hätte. 1945 bildeten noch 97%  Estendie Bevölkerungdes Landes, so waren es 1987 nur noch 61,5%.

Dagegen protestierten immer mehr Menschen in kürzester Zeit. Die politische Mobilisierung war enorm: Öffentliche Diskussionsveranstaltungen, Petitionen, studentische Exkursionen, Plakate zum 1. Mai und T-Shirts mit dem von der westeuropäischen Anti-Atombewegung übernommenen Slogan „Phosphorit – nein danke!“ waren Ausdruck des zivilen Protests. Das Projekt wurde eingestellt.

Dieser kurzfristig errungene Erfolg ermutigte und stärkte die nationale Opposition ganz erheblich. Sie bestärkte die Aktivisten in der Überzeugung an die Kraft zivilen Widerstandes und trug erheblich dazu bei die Angst vor dem Unterdrückungsregime zu verlieren.

Die Singende Revolution dauerte mehr als vier Jahre. Unterschiedlichste Formen von Protest und Verweigerung wurden eingesetzt.

Ab 1987 fanden eine ganze Reihe von Massendemonstrationen statt, bei denen immer spontan gesungen wurde. Nachdem bereits im Mai 1988 in Tartu während eines Musikfestivals singend demonstriert worden war, passierte dasselbe bereits wieder im Juni im Anschluss an das traditionelle Altstadt-Festival in Tallin. Tausende Teilnehmer zogen nach dessen Abschluss auf das große Festivalgelände und sangen verbotene patriotische Lieder.

Schließlich, nach weiteren kleineren Gesangsprotesten, fand am 11. September 1988 das große Liederfest in der Liederfestival-Arena in Tallinn statt. Fast 300,000 Menschen waren gekommen, mehr als ein Viertel der gesamten Bevölkerung Estlands, um Volkslieder und nationale Hymnen zu singen, die seid der Besetzung des Landes durch die Sowjetunion 1944 strikt verboten waren zu singen.. Erstmals traten dabei auch politische Führer der Volksfront Estlands auf und forderten die Wiederherstellung der nationalen Unabhängigkeit von der Sowjetunion.

Am 16. November 1988 verabschiedete das estnische Parlament die Unabhängigkeitserklärung. Diese wurde zu diesem Zeitpunkt von keinem Land der Welt anerkannt, zeigte aber ausgeprägten den Willen der Esten von ihrer Forderung nach Unabhängigkeit nicht abzulassen bis sie schließlich obsiegen würden.

Am 23. August 1989, dem  50. Jahrestag des Molotov-Ribbentrop Paktes, organisierten die Volksfronten der drei baltischen Staaten eine gewaltige Manifestation des gemeinsamen Kampfes für Unabhängigkeit  von der Sowjetunion – den “Baltischen Weg”. Auf 600 km bildeten zwei Millionen Balten eine Menschenkette von Tallinn über Riga nach Vilnius. (Mehr: siehe unten)

1990 begannen Wehrpflichtige in Estland den Dienst in der Sowjetarmee zu verweigern, während die estnische Regierung ihnen gleichzeitig anbot einen zivilen Ersatzdienst abzuleisten. 1991, nachdem mit sowjetischen Panzern versucht worden war den Weg in Richtung Unabhängigkeit gewaltsam zu stoppen, proklamierten der estnische Oberste Sowjet zusammen mit dem Estnischen Kongress, den die Bevölkerung des Landes als ihre eigene Volksvertretung gewählt hatte, die Wiederherstellung des unabhängigen Staates Estland.

Lettland

Obwohl mit dem neuen sowjetischen Führer Michael Gorbatschow  in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre “Glasnost” und “Perestroika” eingeführt  wurde, die gleichzeitig zu mehr Meinungsfreiheit führte, wuchs in den baltischen Staaten die Aversion gegen die Vorherrschaft der Sowjetunion stark an.

Schon auf dem lettischen Lieder- und Tanz-Festival 1985 wurden Lieder gesungen, die von der Wiedergeburt einer freien lettischen Nation erzählten und seid der Besetzung des Landes durch die Sowjetarmee 1941 verboten waren.

Die Menschenrechtsgruppe “Helsinki-86”, die sich auf die KSZE-Schlussakte von Helsinki berief, gedachte 1987 der 1941 von den Russen deportierten Litauern, Letten und Esten, eine ungeheuerliche Provokation gegenüber der kommunisten Herrschaft.  Diese Aktion wird allgemein als der Beginn des „nationalen Erwachens“ gefeiert.  Weitere große Demonstrationen fanden in diesem Sommer in Riga am Freiheitsdenkmal statt, dem Symbol für die nationale Unabhängigkeit.

1986 stießen Pläne der kommunistischen Regierungen in Riga und Moskau ein neues Wasserkraftwerk an Lettlands größtem Fluß, der Daugava (Düna), sowie eine U-Bahn in Riga zu bauen, auf starken Widerstand der Bevölkerung. Die Menschen befürchteten, dass mit diesen Projekten die Naturlandschaften wie auch kulturelle und historische Erbestätten zerstört werden würden und damit die nationale Identität gefährdet würde. Der Klub zum Schutze der Umwelt wurde gegründet im Februar 1987. Der Klub wurde in den Folgejahren der einflussreichste Massenorganisation in der Region. Im gleichen Sommer noch fanden die ersten Massendemonstrationen in Riga vor dem Freiheitsdenkmal statt.

Anfang Juni  1988 diskutierten die Delegierten die Schriftsteller-Gewerkschaft auf ihrem Kongress  die Demokratisierung der Gesellschaft, die ökonomische Eigenständigkeit des Landes, den Stopp des Zuzugs von Russen und damit einhergehend den Schutz der lettischen Sprache und Kultur vor weiterer Russifizierung. Erstmals seit dem Kriegsende 1945 wurde in Lettland auch die Existenz der Geheimprotokolle des "Molotov-Ribbentrop Paktes", die das Schicksal des Landes nach 1939 besiegelt hatten.

Im Sommer 1988 bildeten sich zwei der wichtigsten Organisationen dier Unabhängigkeitsbewegung Lettlands:  die Lettischen Volksfront und die Lettischen Nationale Unabhängigkeitsbewegung. Kaum später forderte ein Bürgerkongress die weitere Zusammenarbeit mit den Partner der Sowjetunion komplett zu verweigern. Gemeinsam hatte diese Organisationen das Ziel der Wiederherstellung von Demokratie und Unabhängigkeit. Bestärkt wurde diese Forderung und ergänzt durch Ruf nach einer rechtsstaatlichen Ordnung auf einer Massendemonstration am Anfang Oktober.  

Am 23. August 1989, dem  50. Jahrestag des Molotov-Ribbentrop Paktes, organisierten die Volksfronten der drei baltischen Staaten eine gewaltige Manifestation des gemeinsamen Kampfes für Unabhängigkeit  von der Sowjetunion – den “Baltischen Weg”. Auf 600 km bildeten zwei Millionen Balten eine Menschenkette von Tallinn über Riga nach Vilnius.  (Mehr: siehe unten)

Obwohl der Oberste Sowjet der Sowjetunion bereits 1989 zur 1941 erfolgtenOkkupation der baltischen Staaten erklärte, dass diese ungesetzlich und nicht dem Willen des sowjetischen Volkes entsprochen habe, änderte dies nichts mehr an dem Willen der baltischen Völker ihre alte Unabhängigkeit wieder gewinnen zu wollen.

Mit den Neuwahlen zum Obersten Sowjet Lettlands 1990 gewannen die Kandidaten,der Volksfront für die lettische Unabhängigkeit, eine zweidrittel Mehrheit.  Am  4. Mai 1990 verabschiedete die Abgeordneten daraufhin eine „Deklaration zur Wiedereinführung der Unabhängigkeit der Republik Lettland“, in der die Wiederherstellung des lettischen Staates sowie der Verfassung von 1922 gefordert wurde. Die Sozialistische Sowjetrepublik Lettland wurde umbenannt in Republik Lettland.

Die Sowjetunion weigerte sich dies Unabhängigkeitserklärung zu akzeptieren.Im Januar 1991 versuchten dann sowjetische Streitkräfte zusammen mit Moskau treuen politischen Letten die neue Regierung zu entmachten und die Führung wieder zu übernehmen. Die gewählte lettische Regierung rief die Bevölkerung zu Demonstrationen auf. Bis zu 700.000 Letten folgten dem Aufruf der Volksfront. Barrikaden wurden gebaut, um mit deren Hilfe die demokratischen Institutionen vor den Putschisten zu schützen. Hunderttausende beteiligten sich an der Vorbereitung des gewaltfreien Widerstands. Mehr als 15000 bestzten über zwei hinweg die Barrikaden.Mithilfe von Radio- und Fernsehkommunikation wurde der Widerstand angeleitet. Sechs Menschen kamen durch die prosowjetischen Angriffe um, mehrere Dutzend wurden verletzt. Der Putsch blieb letztlich beim Versuch stecken. Die lettische Regierung erklärte die volle Unabhängigkeit des Landes dann am 21. August 1991.

Zu den Tagen der Barrikaden: http://en.wikipedia.org/wiki/The_Barricades

Litauen

Die katholische Kirche spielte eine wichtige Rolle in dieser Zeit:  Tausende Menschen versammelten sich regelmäßig auf öffentlichen Plätzen in ganz Litauen und sangen  traditionelle Lieder und Katholische Hymnen. Viele in Litauen populäre Sänger schlossen sich diesem Trend an und griffen für ihre neuen Lieder auf die Texte nationalistischer Dichter zu.

Eine neue, entscheidende Dynamik erhielt die Bewegung in Litauen mit der Gründung der  "Initiativgruppe Sąjūdis"  am 3 Juni 1988 als Unterstützungsbewegung von Glasnost in Litauen. Die Gruppe bestand aus 35 Mitgliedern, mehrheitlich Intellektuelle. Unter ihnen waren 17 Mitglieder der Kommunistischen Partei. Ziel der Gruppe war es, die Erneuerungsbewegung Litauens zu gründen, die unter dem Namen Sąjūdis bekannt wurde.

Am 24. Juni 1988 fand die erste Massenveranstaltung von Sąjūdis statt. Eine weitere Massendemonstration fand am 23. August 1988 statt, als 250.000 Menschen zusammenkamen, um gegen den Ribbentrop-Molotow-Pakt und sein geheimes Zusatzprotokoll von vor fast 50 Jahren zu protestieren.

Im Oktober 1988 fand die offizielle, legale Gründungsversammlung der Organisation in Vilnius statt. Die Bewegung unterstützte die Politik von Michail Gorbatschow, aber zugleich auch litauische Themen wie beispielsweise die Wiedereinführung der litauischen Sprache als einzige Staatssprache Litauens. Gefordert wurde auch die Veröffentlichung von kritischen Berichten über die Zeit des Stalinismus. Umweltschutz war wie in den anderen baltischen Ländern ein Thema, so der Stopp des Baus eines dritten Kernreaktors des Kernkraftwerks Ignalina. Und immer wieder, auch dies eine deutliche Parallele zu Estland und Lettland, die Forderung die geheimen Zusatzprotokolle des Ribbentrop-Molotow-Pakts von 1939 zu veröffentlichen. Daher war es folgerichtig, dass Im Februar 1989 Sajudis  öffentlich feststellte , dass Litauen im Juni 1940 durch die Sowjetunion gewaltsam besetzt und annektiert worden war. Das Fernziel der Bewegung sei daher die Wiedererlangung der nationalen Unabhängigkeit...

Nächster Höhepunkt für die nationale Opposition war am 21. Oktober die Rückgabe der Kathedrale von Vilnius an die katholische Gemeinde. Schrittweise wurden danach die nationalen Symbole wieder gezeigt. Im ganzen Land wurden Denkmäler, die an frühere Unabhängigkeit erinnerten, wieder oder neu errichtet. Die traditionelle Nationalhymne und die alte dreifarbige Nationalflagge /Trikolore) wurden am 18. November 1988 legalisiert. Sie  lösten offiziell die der Sozialistischen Sowjetrepublik Litauens ab.

Die staatliche Unabhängigkeit wurde von der Bewegung im Mai 1989 proklamiert – zunächst ohne irgendeine internationale Anerkennung. Die Zwangseingliederung Litauens in die Sowjetunion wurde als gesetzwidrig erklärt.

Am 23. August 1989, dem  50. Jahrestag des Molotov-Ribbentrop Paktes, organisierte Sajudis gemeinsam mit den Volksfronten der zwei anderen baltischen Staaten eine gewaltige Manifestation des gemeinsamen Kampfes für Unabhängigkeit  von der Sowjetunion – den “Baltischen Weg”. Auf 600 km bildeten zwei Millionen Balten eine Menschenkette von Tallinn über Riga nach Vilnius. (Mehr: siehe unten)

Fünf Jahrzehnte nach der Okkupation Litauens in seiner Zwangsaufnahme in die Sowjetunion war Litauen das erste Land des Baltikums, das sich von der Sowjetunion wieder lossagte und sich am 11. März 1990 für unabhängig erklärte. Später folgten dann auch Lettland und Estland. Jedoch außer Island zögerte die internationale Gemeinschaft, auch die des Westens, die neuen unabhängigen Staaten anzuerkennnen.

Moskau war nicht bereit, die Unabhängigkeit der baltischen Staaten hinzunehmen und verhängte von April bis Mai 1990 eine Rohstoffblockade, die die Wirtschaft Litauens lähmte. Am 10. Januar 1991 forderte Generalsekretär Gorbatschow von der kommissarisch amtierenden Litauischen Regierung unter der Leitung des Vorsitzenden der Sajusis-Bewegung Vytautas Landsbergis die sowjetische Verfassung anzuerkennen und damit auf die Unabhängigkeit zu verzichten. Dieser weigerte sich standhaft und erklärte die neu gewonnene Unabhängigkeit für unverückbar und unverhandelbar.

Daraufhin versuchten am 13. Januar 1991, dem Vilniusser Blutsonntag, Moskau-treue Kräfte sich mit Unterstützung sowjetischer Militärs an die Macht zu putschen. Die Litauer verteidigten allein mit ihren Körpern das Parlament und den Fernsehturm in Vilnius. Tausende stellten sich gewaltfrei und singend den Panzern und Soldaten entgegen. 14 Menschen verloren ihr Leben und mehr als 1000 wurden verletzt. Sie wurden nach offiziellen litauischen Angaben teilweise von sowjetischen Panzern überrollt, teilweise erschossen. Doch der pro-sowjetische Putsch misslang. Die Welt erfuhr so dramatisch, dass  die Bürger Litauens bereit waren ihre nationale Unabhängigkeit zu verteidigen.

1989: Der Baltische Weg – die größte Menschenkette der Geschichte

Das immer wiederkehrende Thema im Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit der baltischen Staaten war der Molotow-Rippentrop Pakt, auch bekannt als Hitler-Stalin Pakt, vom 23. August 1939. In geheimen Protkollen zu dem Vertrag waren die zukünftigen Einflusszonen zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt worden. Danach sollten Finnland, Estland, Lettland der Sowjetunion zugeschlagen werden, Litauen und weite Teile Polens dem Deutschen Reich. Als Grenze der „Einflussbereiche“ wurde die nördliche Grenze Litauens festgelegt. Unmittelbar nach Vertragsschluss begann Deutschland den 2. Weltkrieg mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939, die Sowjetunion besetzte 1939/40 das Baltikum.

Die Sowjetunion hatte immer die Existenz der Geheimprotokolle geleugnet, selbst als diese seit den Nürnberger Prozessen im Westen breit publiziert worden waren. Nach der Lesart der Sowjetunion hatte es keine Besetzung des Baltikums durch die Rote Armee gegeben, vielmehr hätten sich  die drei Staaten aus freiem Willen der Sowjetunion angeschlossen.

Nachdem es in den baltischen Staaten unter dem Dach von „Glasnost“ und „Perestroika“ seid 1986 verstärkt Protestaktionen gegen die Gültigkeit des Paktes gegeben hatte, begleitet von Solidaritätsaktionen in westlichen Staaten, war es klar, das 1989, zum 50. Jahrestag, eine besonders bemerkenswerte Aktion stattfinden musste und würde.Entsprechend stiegen die Spannungen zwischen den drei Staaten und der Sowjetunin. So wurden im Vorfeld des gedenktages beispielsweise in Litauen zwei Millionen Unterschriften unter einen Aufruf gesammelt, der den sofortigen Abzug der Roten Armee forderte.

Bei einem Dreiländer-Treffen oppositioneller Gruppen am 15. Juli 1989 entstand die Idee eine Menschenkette zu organisieren, die die drei Hauptstädte verbinden würde. Die geplante Aktion wurde dann sogar von den kommunistischen Parteien und regierungen Estlands, Lettlands und Litauens genehmigt. Deren Mitglieder wie Führungen hatten sich inzwischen den Unabhängigkeitsbewegungen stillschweigend angeschlossen bzw. kämpften mit ihren Möglichkeiten bereits an der Seite der Bewegungen um die Unabhängigkeit von Moskau.

Die baltischen Unabhängigkeitsbewegungen veröffentlichten eine gemeinsame declaration an die Welt und die Europäische Gemeinschaft, in der der Molotow-Rippentrop Pakt als kriminelle Handlung verurteilt wurde. Sie forderten die eine völkerrechtsverbindliche Erklärung, dass dieser Vertrag als „null und nichtig von Anfang“ zu behandeln sei.

Am 23. August 1989 schließlich bewegten sich in allen Ländern die Menschen an die vorher veröffentlichten, am Tag selbst über Radio koordinierten Standplätze um zu gewährleisten, dass die Menschenkette komplett geschlossen sein würde. Um 19.00 Ortszeit (16.00 MEZ) wurde die Kette geschlossen. Rund zwei Millionen Menschen standen Hände haltend für 15 Minuten von Tallin über Riga bis Vilnius und demstrierten so gegen die Besatzung ihrer Länder durch die Sowejetunion.

Diese Menschenkette veröffenntlichte schlagartig den Kampf der Balten für ihre Freiheit weltweit. Alle westlichen Medien berichteten ausführlich. Das Programm der „Singenden Revolution“ war damit unwiderruflich auf der Tagesordnung der Weltgemeinschaft.

Obwohl der Volksdeputiertenkongress der UdSSR durch ein Mehrheitsvotum den Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt und seine Zusatzprotokolle „für null und nichtig von Anfang an“ erklärten und Gorbatschow eine entsprechende Deklation unterzeichnete,war der Weg der drei baltischen Staaten in die Unabhängigkeit nicht mehr aufzuhalten. Bereits bei den folgenden Wahlen  im Februar 1990 gewannen die Pro-Unabhängigkeitskandidaten die Mehrheit in den Parlamenten und Ende August 1991 wurde Prozess abgeschlossen mit der Anerkennung der Eigenständigkeit Estlands, Lettlands und Litauens durch die Sowjetunion und die meisten Staaten der Welt.

Der “Baltische Weg” war die längste ununterbrochene Menschenkette der Geschichte. Sie fand später eine Reihe von Nachfolgern: Ähnliche Menschenketten wurden später in vielen Osteuropäischen Ländern und selbst in der UdSSR organisiert. Auch in jüngerer Vergangenheit dienten Menschketten dem Ausdruck von Protost: So am kamen am 28. Februar 2004 rund zwei Millionen Menschen in Taiwan zur „228 Hand-in-Hand-Demonstration“ zusammen und am 11. September 2009 machten sich in Katalonien über 1,5 Millionen Menschen auf den „Katalonischen Weg“, um für die Unabhängigkeit ihrer Provinz vom spanischen Zentralstaat zu protestieren.

Erste Ausstellungstafel zur Konfliktlösung im Baltikum
Baltikum – Tafel 1

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